Die Texte und Fotos beruhen auf der "Besonderen Lernleistung - Geschichtsrezeption im digitalen Zeitalter: histocaching" als neue Form der Vergangenheitsbegegnung am Beispiel der Braubacher Barbarakirche." von Tobias Metz.
Für Nachfragen und detaillierte Auskünfte wenden Sie sich bitte, über das Gemeindebüro, an Tobias Metz.
In allen Chroniken, Festschriften und Lexika wird behauptet, dass die Barbarakirche an den Turm und die Stadtmauer angebaut wurde.
Durch Holzuntersuchungen bei der letzten Renovierung 2019/21 stellte man fest, dass die Kirche beim Bau der Stadtmauer und des Turms bereits 120 Jahre stand.
Da Proben aus Rüsthölzern in verschiedenen Höhen genommen wurden konnte der Bauverlauf rekonstruiert werden. Demnach ist der untere Teil des Turms 1382/83 gebaut worden und der obere 1384/85. (Abb.85, 86)
Der Bau des Turms dauerte also ca. 2-3 Jahre, was bei der Mauerstärke und den dafür benötigten Steinmassen nicht sehr lange ist. Zumal man bedenken muss, dass die Steine von den Bürgern mit Ochsenkarren aus den bis zu 10 km entfernten Steinbrüchen herbeigeschafft wurden.
Die Rüsthölzer (Buchenholzstangen) wurden mit einem Höhenabstand von 1,50 m und ca. 0,8-1 m herausragend, in die Mauer mit eingemauert. Später legte man Bohlen darauf und hatte so eine Art Gerüst. Nach dem Bau wurden die Stangen einfach wandbündig abgesägt und das Holz verfaulte mit der Zeit durch die Witterungseinflüsse in den Löchern, sodass in 90% aller Bauten nur noch die Rüstlöcher zu sehen sind. Von den Rüsthölzern der Barbarakirche sind heute noch etliche in sehr gutem Zustand erhalten, sodass problemlos Bohrkerne entnommen werden konnten. (Abb.87)
Bei der Renovierung 2019/21 konnten noch weitere Belege für die Vormauerung des Turmes gefunden werden. Im Westgiebel des Kirchenschiffs befindet sich ein Schlitzfenster, vor dass der Turm vorgemauert wurde. (Abb.35) Der Turm, der ursprünglich gegen den Verputz der westlichen Giebelwand gemauert wurde, löste sich durch spätere Verformung vom Giebel, sodass in der breiten Fuge jetzt der Putzabdruck am Mauerwerk des Turms zu sehen ist. Die Ostwand des Turms wird im 2. Obergeschoss teilweise durch den Westgiebel des Schiffsdachs gebildet, der beim Bau des Turms nach Norden hin verlängert wurde; das Schiffsdach zeichnet sich in der weiß gestrichenen Wandfläche als schräg nach rechts ansteigender Riss ab. Mit dem weit gespannten Bogen beginnt die volle Mauerstärke der Turmostwand von 2 Metern. (Abb. 88)
Der Turm, der der Nordwesteckturm der Stadtmauer war, wurde anders als der Rest der Kirche von der Stadtgemeinde gebaut und bezahlt.
Der 24 m hohe gemauerte Teil des Turms, der noch original erhalten ist, war von Anfang an verputzt. Im Mittelalter waren alle Bauten dieser Art verputzt, denn man wusste damals schon, wie anfällig der verbaute Stein ist. Der Turm ist einheitlich hochgemauert, es sind keine Veränderungen im Stein zu sehen. Das lässt darauf schließen, dass alle Steine aus einem Bruch stammen. (Abb.201)
Bei der letzten Außenrenovierung 2019/21 wurden alle losen Mörtelreste und Steine entfernt und ersetzt. Im Anschluss daran folgte ein mehrlagiger Spezialputz in mittelalterlicher weißer Farbgestaltung. Hierbei wurden die Rüstlöcher ausgespart, da sie, wie schon in den letzten Jahrzehnten, als Nistplätze für die sehr große Mauerseglerpopulation dienen sollen. (Abb. 93)
Im unteren Teil des Turms, auf ca. 1,50 m Höhe befindet sich ein bauzeitlicher Schiffsanlegering (Abb. 90) in der Turmwand. Damals befand sich der vor dem Braubacher Ufer sehr flache Rhein in unmittelbarer Nähe der Kirche.
Bedeutung für die Stadtmauer
Entgegen den Darstellungen in den Chroniken und Büchern wurde die Barbarakirche nicht als Stadtkirche an die Stadtmauer gebaut, sondern als Neubau vor die Stadt auf das Schwemmland des Rheins. Als Braubach die Stadt- und Marktrechtsurkunde im Jahr 1276 erhielt, stand die Kirche bereits 10 Jahre.
Das Dorf „Brubach“ war ursprünglich nur von einem Palisadenzaun und einem Heckenbewuchs umgeben. Nach der Stadtrechtsverleihung wurde die Oberstadt (Südlich der heutigen Rhein- und Oberallestraße, östlich im Tal hinter dem Eiscafé Venezia , bis zum Obertor) als erstes mit einer Mauer mit Türmen geschützt. In der Unterstadt (südlich der Nordwand der Barbarakirche, westlich des Eiscafé Venezia, bis zum heutigen Bahndamm, südlich bis zur Phillipsburg) befanden sich nahezu alle wichtigen Einrichtungen der Kleinstadt: Markt, Rheinkran, Schiffsanleger, Zoll, Salhof, Kellerei, die Barbarakirche und das Rathaus. Dieser Teil wurde erst später durch eine Mauer geschützt. (Abb. 188)
Der Bau einer Stadtmauer war sehr teuer. Deshalb wurde, wie vielerorts, bei der Errichtung darauf geachtet, bestehende große Gebäude zu integrieren. Die Barbarakirche war hierfür bestens geeignet, da man dachte, dass die meist gefährdete Stelle einer Wehranlage durch die Weihe eines Sakralbaus geschützt wäre. Da diese Nord-West-Ecke keinen natürlichen Schutz durch Felsen hatte, sondern von beiden Seiten ungehindert angreifbar war, baute man an dieser Stelle einen sehr hohen und massigen Eckturm, der der Angelpunkt der Stadtbefestigung war. Der Turm der Barbarakirche war durch seine enorme Höhe und seine strategisch gute Position der einzige Turm von dem aus man den Rhein, über die Stadt ins Tal, nach Lahnstein und Richtung Osterspai blicken konnte. (Abb. 196 + 200) Aus diesem Grund konnte die Rheinfront der Mauer von 440 m aus stabilisierten Häuserfassaden und einem weiteren Turm am Südende bestehen. Die drei Tore waren lediglich Mauerpforten. (Abb. 190, 191, 196, 198)
Der Turm, der also nicht als Kirchturm sondern als Wachturm der Stadt gebaut wurde, war ständig von Wachen besetzt, für die der Turm auch mit Aufenthaltsräumen, Kamin, Abort und sogar einem Kerker versehen war. Die Wachen erreichten den Turm nur über einen Zugang von Süden her über den Wehrgang der Stadtmauer. Die Mauer des Kirchenschiffs nach Norden war nicht durch einen Wehrgang begehbar. Einziger Schutz war hier der Stadtgraben bestehend aus dem Großbach sowie die Dicke der Nordwand von teilweise über 2 Meter. (Abb. 200)
Die ältesten, heute noch vorhandenen Dachbalken aus Tanne und Fichte wurden 1404/1405 und 1406 gefällt. Demnach wird der Bau des Daches auf 1407 datiert, 20 Jahre nachdem der Turm in seiner Mauer fertig war. Es wird vermutet, dass in der Zwischenzeit ein Notdach aufgebracht wurde, da es keinerlei Hinweise auf einen Brand o. ä. Zerstörungen gibt.
Das mittelalterliche Dach wurde 1407 erbaut. Da der Turm einen rechteckigen Grundriss hat, wurde ein ganz steiles Walmdach gezimmert, das mit ein und derselben Neigung gradlinig nach oben verläuft. Es hatte einen sehr kurzen First von Nord nach Süd, der sich auf Höhe der heutigen Turmspitze befand. Zu Beginn saß das Dach nicht auf der Mauerkante auf, sondern auf Balken an der Innenkante der Mauer. Es ist nicht geklärt, ob die freigelassene Mauerkrone evtl. als Wehrgang gedient haben könnte. Als man nach kurzer Zeit feststellte, dass Wasser an dieser Stelle in den Turm eintrat, ergänzte man das Dach mit langen Aufschieblingen (Balken, die oben an einen Sparren angelegt wurden und unten über die Mauerkante rausragten), die das Wasser über die Mauerkrone hinwegleiteten. Außerdem bekam der Turm vier Wichhäusschen (Dachtürmchen) an den vier Ecken. (Abb. 125) (Abb. 126)
1688 wurden die langen Aufschieblinge entfernt und durch barocke geschwungene Aufschieblinge ersetzt. Die vier Wichhäusschen wurden ebenfalls entfernt und durch die vier noch vorhandenen Zwerchhäuser (Abb. 136-138) mit barock geschwungenem Dach in der Mitte der vier Seiten ersetzt. Der Rest des mittelalterlichen Daches blieb unverändert. (Abb. 128-132) (Abb. 143)
1710/11 wurde das Dach, wahrscheinlich aus Gründen der Baufälligkeit, über der ersten Kehlbalkenlage (ca. 4 m über der Decke des 4. OG.) abgeschnitten. Auf diese erste Kehlbalkenlage wurde ein viereckiges Geschoss mit senkrechten Fachwerkwänden (Abb. 141) ohne Tragkonstruktion auf die abgeschnittenen Sparren aufgesetzt (Abb.140), ohne es zu verankern oder zu befestigen. Auf dieses Geschoss stellte man ein achteckiges Zeltdach (Abb. 142). Die Spitze des achteckigen Zeltdaches lag auf der Höhe des mittelalterlichen Firstes und ist über Eck gestellt. Da der Turmgrundriss nicht quadratisch ist, ist es stark in nord-südlicher Richtung verzogen. Hierdurch gibt es zwei breitere Seiten im Osten und Westen sowie zwei schmalere im Norden und Süden. Das Turmdach wurde nur durch die Dachschalung zusammengehalten. Der noch vorhandene Glockenstuhl stammt vermutlich auch aus dem Jahr 1710/11. (Abb. 133, 135, 139)
Um 1882 erhielt die Barbarakirche eine neue Turmspitze und Schiefereindeckung.
Die Turmspitze von 1710 musste 1760 erneuert werden, als die Franzosen den Turmknopf durchschossen haben.
Die Wetterfahne zeigt außer dem Braubacher Wappen (Stern und Halbmond) die Jahreszahl 1882. Unterhalb der Wetterfahne ist ein Kreuz zu sehen, und zwar in liegender Form. Die vier Enden des Kreuzes laufen Lilienförmig aus. Unter dem Kreuz befindet sich eine Kugel. Diese Turmspitze ziert noch heute den Kirchturm. (Abb. 144)
Bei der letzten Renovierung 2017-21 wurden umfangreiche Zimmerarbeiten vorgenommen, da durch Regeneintritt teilweise Substanzschädigungen vorlagen. Da sowohl das achteckige Turmdach, als auch das viereckige Geschoss nur lose auf den abgeschnittenen Sparren aufsaßen, hätten diese bei einem starken Sturm oder auch Erdbeben, runterfallen können. Dieser Gefahr war man sich bis zur Renovierung nicht bewusst, da man davon ausging, dass die Elemente korrekt verbunden wurden.
Die Stützen wurden unterkeilt, fehlende Verbindungen hergestellt, Zuganker montiert, lose Verbindungen mit Zapfen und Schrauben gesichert, Fehlstellen repariert oder ergänzt, und Holzschutz aufgebracht. Danach brachte man eine neue Dachschalung und neue Naturschiefer auf. (Abb. 127)